Die droge meines Mannes: Triathlon!

Was tun, wenn der Partner plötzlich Lust auf Sport hat? Mitmachen! Unsere Autorin hat es in Körnten ausprobiert.

Seine Veränderung fing in Schüben an. Zuerst dachte ich: Okay, das ist dann jetzt wohl diese Midlife-Crisis, es ändert sich einfach nur mental ein bisschen was, wird schon wieder.

Kurz danach vermutete ich, er habe sich ernsthaft verkll.lllt, denn neuer­dings ist er viel öfter als sonst nicht zu Hause zu sehen. Bls ich merk,:e, dass ich ihn nicht mehr verstehe: Mein Mann empfindet es nämlich plötzlich als das Schönste, seine Samstage in a.ufgepols­terten R;J,dlerhosen und hautenger Oberbekleidung auf der Landstraße zu verbringen.

Er steht tierisch darauf, sich im Schwimmbad von einer extrem durch­trainierten Frau verbal so richtig zu­sammenfalten zu lassen. Und er sprin­tet grundlos zehnmal hintereinander ei­nen Berg hinauf. Mein Mann ist verfal­len – dem Triathlon.


Nun gibt es für Angehörige von Süchtigen zwei Optionen. Möglichkeit eins: Ihn zu den Anonymen Triathleten zu schicken. Oder, Möglichkeit zwei: Den Stoff einfach mal selber probieren. Al­lerdings sollte es dann nicht in Berlin bei irgendeinem kleinen Verein passie­ren, sondern am besten gleich da, wo es sich so richtig lohnt: dort, wohin seit 1998 mittlerweile 3000 Triathlonver­rückte pro Jahr aus über 6o Nationen pilgern, um den Ironman zu absolvie­ren, die Königsdisziplin derTriathleten. An den Ort, der unter Kennern als eine der schönsten Wettkampf-Locations der Welt gilt: Ich fahre zum Triathlon­training nach Klagenfurt in Kärnten!


Natürlich brauche ich vor Ort profes­sionelle Betreuung. Wild entschlossen folge ich der Devise „nicht kleckern, sondern klotzen“ und buche für meinen Feldversuch auf der Suche nach dem sportlichen Kick nicht nur einen staat­lich zertifizierten Triathlontrainer, son­dern keinen Geringeren als Mario Kapier. Der 46-Jährige imponiert mäch­tig mit seiner Vita: ehemaliger Landes­trainer des Kärntner Triathlonver­bandes und ehemaliger Bundestrainer des Österreichischen Triathlonverban­des. Geneigte Ausdauersportler unter­stützt er heute als Personal Trainer mit einer systematischen Trainings- und Wettkampfplanung bei der Umsetzung ihrer Ziele.


Dabei weiß er nur zu genau, wovon er spricht: Zu seinen eigenen sportlichen Leistungen gehören neben mehreren 24-Srunden-Radrennen sowie Mara­thons der Ironman Austria 2002 und der Triple Ironman Ultra Triathlon. Vor allem Letzteres muss man sich mal auf der der Zunge zergehen lassen: einen drei­fachen Ironman! Das heißt an einem Stück sage und schreibe 540,7 Kilome­ter Radfahren, 126,6 Kilometer Laufen und 12,6 Kilometer Schwimmen. Einen Halbmarathon zu laufen, worauf Nor­malsterbliche manchmal schon monate­lang trainieren müssen, ist für Leute vom Schlage Mario Kapier ein Klacks.


Sein guter Ruf eilt ihm voraus. Es drängt sich die Frage auf, wie erbärm­lich muss man jetzt für so einen krassen Ultrasportler wirken als Mensch, der bestenfalls im Amateurlaufbereich zu Hause ist? Ein recht mulmiges Gefühl, dass ich nicht gut aus der Nummer rauskomme, beschleicht mich. Das Mot­to des Trainers hingegen lautet carpe diem, worüber man schmunzeln mag, bis einem genau dieses Schmunzeln aus dem Gesicht fällt. Denn Marios Vorstel­lung des Trainingspensums für die nächsten Tage setzt genau diese Theo­rie in effiziente Praxis um: Das Pro­gramm ist vollgepackt, die drei Sportar­ten erwarten mich.

Sportler sollen bei Mario Kapier im Trainingslager nicht mehr an den beruf­lichen Stress denken müssen, sondern sich voll und ganz auf das Training kon­zentrieren können. Die Natur macht es einem einfach. Der Wörthersee und der Fakt, dass man direkt aus der Altstadt Klagenfurts mit zwei von drei Diszipli­nen loslegen kann, ohne mit dem Auto irgendwo hinfahren zu müssen, ist eine gute Voraussetzung. Zudem ist Klagen­furt ideal gelegen. Das Klima fühlt sich südlich-sommerlich an.


Mario erzählt mir vom Ironman Aus­tria-Kärnten, der in dieser wunderschö­nen Triathlon-Landschaft bereits zum 20. Mal ausgetragen wird. 1998 mit 124 Teilnehmern, schon kurz darauf mit Tausenden. Eventuell gehen einem vor solcher Kulisse die 3,8 Kilometer im See, die 18o Kilometer auf dem Rennrad und die 42,2 Kilometer in Laufschuhen irgendwie leichter von der Hand? Der durchschnittlich 22 Grad warme Wör­thersee jedenfalls zeigt sich am Wett­kampftag, dem ersten Juliwochenende, aufgrund der geografischen Lage, regel­mäßig von seiner schönsten Seite. Au­ßerdem, berichtet der Trainer, hätte ,,sein“ Ironman eine der schnellsten Strecken in der lronman-Serie, was der Motivation der Teilnehmer zuträglich ist: Mit einer Zeit von 7:45:58 Stunden erzielte Marino Vanhoenacker 2011 Weltbestzeit, die fünf Jahre nicht unter­boten wurde.


Unbeeindruckt vom verrückten Top­athleten aus Belgien mache ich mich als Laie daran, den dreitägigen Triathlon­-Selbstversuch zu starten. Hübsche Hü­gel und Berge erzeugen das perfekte Ambiente, um die verschiedenen Kapi­tel des Triathtlons aufzuschlagen. Let’s go! Laufen, dachte ich, kann ich. Doch schon in den Joggingschuhen droht das Desaster. Schnell wird klar, dass mein Laufstil einer kompletten Überarbeitung bedarf. Man fängt nicht klein an bei so einem Training. Sondem winzig klein. Zum Glück macht es Spaß festzu­stellen, wie schnell sich jeder einzelne von Kaplers Tipps positiv auswirkt. Gu­te Entscheidung, endlich mal mit einem Profi zu arbeiten – entlang des herrli­chen Seeufers, das schon auf die nächs­te Disziplin einstimmt.


Es geht ins Wasser. Oder auch nicht so recht. Als Mario mich drei Züge schwimmen sieht, kommt es zu mehr erst mal nicht. Stattdessen stehe ich auf einem Steg am Wörthersee und mache wie ein Volltrottel ziemlich lange ziem­lich peinliche Trockenübungen. Ich auf dem Weg zum Seepferdchen. Spitze!


Dabei ist die Szenerie hier klasse. Nichts täte ich jetzt lieber, als mit mei­nem – meinetwegen – schäbigen Schwimmstil einfach ganz in Ruhe ein­mal quer durch den See zu schwimmen, immer der Sonne entgegen. Doch Mario verpasst mir mit einer Äußerung einen Motivationsschub: Die meisten Triath­leten seien nicht die besten Schwim­mer. Ich wittere meine Chance, besser als mancher Profi durchs Wasser zu gleiten, mit besserer Technik das Nass mit den Handflächen wegzudrücken. Zumal mit schlechter Technik kraulend, man später verspannt aus den Fluten steigen würde. Ich bin angestachelt und übe, übe und übe. Allerdings noch immer auf dem Steg, wasserlos mit den Ar­men fuchtelnd. Dranbleiben, ,,nur ein paar Jahre“. Das sagt mein Trainer tat­sächlich, ,,dann hast du es auch irgend­wann raus“. Demut gehört offenbar zu den größten Errungenschaften eines Triathleten.


Nach den Triathlonregeln ist übri­gens jede Schwimmtechnik erlaubt. Ich könnte also auch Brustschwimmen. Für mich ist das in diesem Kapitel die erste gute Nachricht. Der Wörthersee ist üb­rigens ein perfektes Wassersportrevier, wie ich später bei einer Runde Stand-up-Paddeling bemerke: Wenn man sich im Stehen gemächlich über den See bewegt, das monotone Plätschern der sanften Wellen den gestressten Geist in einen Zustand der Kontemplation versetzt und dabei schnell alles andere ein bisschen egal wird, fühlt sich das Le­ben auf dem Wasser ganz okay an. Aber das nur nebenbei. Sie merken, ich möchte zu gern von meiner Niederlage ablenken. Doch umsonst. Schwimmen: Totalversagen meinerseits.


Am Tiefpunkt angekommen, folgt die Trainingseinheit mit dem Rennrad um den See. Wundervoll. Ich lasse mich fal­len in das monotone Surren der Kette. Dank des Hightech-Materials jage ich mit geringer Anstrengung und großer Effektivität über die Straßen. Alles um mich herum ist vergessen. Ich will nie wieder aufhören und schmiede schon Umzugspläne von Berlin nach Kärnten, halte Ausschau nach leeren Häuschen am Straßenrand. Ist es hier am Hang schöner oder dort direkt am Wasser? Ich genieße den Fahrtwind, das Auf und Ab, das sich auf der abwechslungsrei­chen Strecke um den See vor mir aus­breitet und bemerke dabei kaum, dass ich mich Kilometer um Kilometer ver­dinge, in Einheit mit dem Gefährt. Ich bin im Flow.


Mein Fazit: Die Droge Triathlon ver­schafft auch mir den Kick. Die Droge, der mein Mann verfiel, ist ziemlich tü­ckisch für alle Opfer wie mich: Sie kriegt dich mit herrlich abwechslungs­reichem Training, schnellem Aufbau von Ausdauerfählgkeit und überdurch­schnittlich viel Zeit, die du in schöner Narur verbringst. Echt geniales Zeug – wenn nur dieses fürchterliche Schwim­men nicht wäre!


Der Ironman Austria-Kärnten vergibt übrigens 40 Plätze für die Ironman World Championship in Hawaii. Ganz so weit bin ich noch nicht. Ich bin raus, frage meinen Mann aber mal, ob er nicht antreten will.

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